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11.01.2015

Europa Aktuell 9/2014

Im Rahmen des 6. Kohäsionsforums tauschten sich Praktiker, Experten und die Brüsseler Regionalpolitikgemeinde über ihre Erwartungen an die neue EU-Förderperiode aus. Diese zeichnet sich durch eine stärkere Zielfokussierung und ein Abgehen vom Gießkannenprinzip aus. Die zentral festgelegten Prioritäten, die den Mitgliedstaaten zur Auswahl stehen, sind allesamt zukunftsgerichtet und sehr investitionsorientiert. Die Wende vom Geldausgeben hin zum Investieren stand daher auch im Zentrum der Debatten.

Interessanterweise wurde die neue Prioritätensetzung v.a. von Politikern aus solchen Staaten gelobt, die bis jetzt hohe Beträge für reine Infrastrukturinvestitionen erhalten haben. D.h. auch hier wird erkannt, dass nachhaltige Investitionen und gemeinsame europäische Ziele besonders wichtig sind. 

Viele Redner forderten mehr Risikobereitschaft bei der Mittelvergabe ein. Die strengen Förder- und Abrechnungskriterien wären ein Hemmschuh für innovative KMUs, die aufgrund dessen mitunter auf Förderungen und somit auch Expansion verzichten. Die Kommission, aber auch die nationalen Kontrollbehörden, sollten davon abgehen, jeden Fehler als Betrug zu interpretieren. Angesichts der Komplexität der Abwicklung sollte eine bestimmte Fehlerquote tolerierbar sein.

Die zunehmende Bedeutung der Kohäsionspolitik für die wirtschaftspolitische Steuerung wurde weitgehend anerkannt, der litauische Finanzminister plädierte zudem dafür, das Ende der Abhängigkeit von EU-Geldern als ultimatives Ziel zu definieren.

Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag des Wirtschaftswissenschafters und Nobelpreisträgers Michael Spence, der insbesondere die Zinspolitik der EZB als wesentlichen Faktor zur Ankurbelung der Wirtschaft lobte. Aufhorchen ließ er mit der Aussage, eine Inflation von 5% wäre derzeit in Europa wirtschaftspolitisch wünschenswert.

Der EU-Kohäsionspolitik stellte er ein gutes Zeugnis aus, da sie langfristig angelegt sei und mithilfe öffentlicher Investitionen die Wirtschaft ankurbelt. Effizientere öffentliche Verwaltungen würden den gesellschaftlichen Mehrwert dieser Investitionen (social return on investment) jedoch noch gravierend zu steigern, in diesem Bereich sei noch viel zu tun.

Europa käme nur dann auf den Wachstumspfad zurück, wenn es notwendige und schwierige Reformen schnell umsetze und geduldig darauf warte, bis diese Reformen greifen. Problematisch sei im Vergleich zu den USA aber natürlich die Uneinigkeit über die Gestaltung des Wachstumsmodels und die daraus entstehende Verzerrung zahlreicher wirtschaftlicher Faktoren.

Spence merkte aber auch, dass der wirtschaftliche Aufschwung der USA zu einem Gutteil auf die Schiefergasrevolution zurück zu führen sei - eine Option, die es für Europa in der Form nicht gäbe.

Der zweite Tag des Kohäsionsforums war übrigens geprägt von hochrangigen Abschieden. Neben Kommissionspräsident Barroso und Ratspräsident van Rompuy verabschiedete sich auch Regionalpolitikkommissar Hahn, zumindest aus seiner aktuellen Funktion.

 

http://ec.europa.eu/regional_policy/conferences/6thcohesion_forum/agenda_en.cfm

 

 

Jean-Claude Juncker präsentiert Ressortverteilung der neuen Kommission

  

Mit Spannung erwartet und mit Erstaunen aufgenommen wurde die Vorstellung der neuen EU-Kommission. Jean-Claude Juncker ordnete seine Kommission neu und übertrug jedem der sieben Vizepräsidenten die Leitung eines Projektteams aus mehreren Kommissaren. Jeder Vizepräsident wird befugt sein, den Präsidenten voll zu vertreten, wobei dem ersten Vizepräsidenten, dem Niederländer Frans Timmermans, eine besondere Rolle zukommt. Er wird die rechte Hand Junckers und ist dafür zuständig, sämtliche Kommissionsvorschläge auf ihre Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip und den Grundrechten der EU zu prüfen.

Die Ressortverteilung, die im Link unten dargestellt wird, sorgte bereits nach Bekanntwerden teilweise für Kopfschütteln.

Wie sich die Kommissare in dieser neuen Struktur bewähren, bleibt abzuwarten. Auch, ob die Kommission tatsächlich politischer wird und sich mehr auf das große Ganze konzentriert.  

Auf jeden Fall muss sie, ehe sie ihre Arbeit aufnimmt, noch die Hürde EU-Parlament nehmen. Das Parlament muss dem gesamten Kollegium seine Zustimmung erteilen. Bevor dies passiert, werden sich alle Kandidaten einer Anhörung im Parlament stellen.

Plangemäß soll die Juncker-Kommission am 1. November die Arbeit aufnehmen.

Johannes Hahn wird übrigens das Ressort Erweiterung und Nachbarschaftspolitik übernehmen, was ja durchaus mit der Schwerpunktsetzung des österreichischen Außenministeriums harmoniert.

 

http://ec.europa.eu/about/juncker-commission/commissioners-designate/index_en.htm

 

 

RGRE analysiert Kreislaufwirtschaftspaket

  

Eine Arbeitsgruppe des europäischen Dachverbandes RGRE befasste sich kürzlich mit dem im Juli vorgestellten Kreislaufwirtschaftspaket der EU-Kommission. Dieses sieht u.a. eine Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie, der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle und der Deponierichtlinie vor. Die Experten der kommunalen Verbände fanden bei ihrem ersten Zusammentreffen zahlreiche Vorschläge, die die Praxisferne der EU-Kommission verdeutlichen und dringend geändert werden sollten.

So werden etwa Pfandsysteme bei der Berechnung der Recyclingquoten ebenso wenig berücksichtigt wie private Kompostierung von Biomüll. Auch der Grundgedanke hinter der Einführung von Sammelquoten für biogene Abfälle wird kritisiert. Diese werden nämlich - im Gegensatz zu Verpackungsabfällen - nicht als Ressource sondern als Störfaktor im Haushaltsabfall wahrgenommen. Die meisten Verbände sind überdies mit der Definition von Siedlungsabfällen unglücklich. Dass die Qualifikation als Siedlungsabfall von der Größe des Abfallunternehmens (KMU-Ausnahme) abhängen soll, wurde von kommunaler Seite unisono abgelehnt.

Die Sammelquoten für Verpackungsabfälle werden als sehr ambitioniert eingestuft. Die neue Berechnungsmethode, die sich am Prozentsatz der verwertbaren Ressourcen und nicht an der Sammelquote an sich orientiert, ist im Bereich der Kunststoffverpackungen wohl nur erreichbar, wenn die Industrie das Produktdesign zahlreicher Verpackungen ändert.

Der EU-Gesetzgebungsprozess steht erst am Anfang, das Parlament wird im Laufe des Septembers einen Berichterstatter benennen. Die RGRE-Abfallgruppe begleitet den Prozess und wird sich für praxistaugliche Regelungen einsetzen.

Ein detaillierter Sitzungsbericht kann bei Interesse per Email angefragt werden.

 

http://www.ccre.org/en/actualites/index_actu/21